Gestalttherapie für Paare: Warum sie sich für eure Beziehung lohnt

Wenn eure Beziehung festgefahren ist
Ihr redet, aber nichts verändert sich. Die gleichen Konflikte kehren wieder, in leicht abgewandelter Form, aber mit derselben Dynamik. Einer zieht sich zurück, der andere wird lauter. Oder beide verstummen, weil alles ohnehin schon gesagt scheint. Nach jedem schwierigen Gespräch bleibt das Gefühl: Der andere versteht es einfach nicht.
Solche Muster entstehen nicht über Nacht. Sie entwickeln sich über Monate, manchmal Jahre. Was anfangs klein war – eine bestimmte Art zu reagieren, eine unausgesprochene Erwartung – verfestigt sich allmählich zu einem Beziehungsmuster. Irgendwann merkt man: Wir drehen uns im Kreis.
Das ist kein Zeichen von Scheitern. Es ist ein Zeichen dafür, dass etwas Grundlegendes angeschaut werden möchte. In meiner Arbeit mit Paaren erlebe ich immer wieder: Die festgefahrensten Situationen bergen oft das größte Potenzial für echte Veränderung – wenn beide bereit sind hinzuschauen.
Gestalttherapie für Paare bietet einen Weg aus diesen Mustern. Nicht durch gut gemeinte Ratschläge oder Kommunikationsregeln, die sich aufgesetzt anfühlen, sondern durch tiefes Verstehen dessen, was zwischen euch geschieht. Die Forschung zeigt klar: Dieser Ansatz wirkt. Paare berichten nach gestalttherapeutischer Arbeit von deutlichen Verbesserungen – in ihrer Kommunikation, ihrer emotionalen Verbindung und der Qualität ihrer Beziehung insgesamt.
Was bis heute nachwirkt
Wir alle bringen etwas mit in unsere Beziehungen. Erfahrungen aus der Kindheit prägen, wie wir Nähe und Distanz regulieren. Frühere Partnerschaften hinterlassen Spuren – manchmal subtil, manchmal deutlich spürbar. Diese Prägungen sind nicht deterministisch, aber sie beeinflussen, wie wir reagieren, wenn es schwierig wird.
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Sie sagt etwas Kritisches, er zieht sich sofort zurück. Beide erleben das als Ablehnung durch den anderen. Tatsächlich reagieren beide auf etwas, das gar nicht mit der aktuellen Situation zu tun hat – er auf frühe Erfahrungen von Beschämung, sie auf alte Ängste, nicht gehört zu werden. Keiner von beiden macht etwas „falsch“. Beide sind gefangen in automatischen Mustern.
In der Gestalttherapie geht es darum, diese unbewussten Einflüsse sichtbar zu machen – nicht um endlos die Vergangenheit zu analysieren, sondern um im Hier und Jetzt freier handeln zu können. Wenn du verstehst, warum du so reagierst wie du reagierst, hast du eine Wahl. Vorher nicht.
Die zentrale Frage lautet: Was geschieht gerade zwischen euch? Wie reagiert ihr aufeinander in diesem Moment? Und was bräuchtet ihr, um einander wirklich zu begegnen?
Was ist Gestalttherapie für Paare?
In meiner Bonner Gestaltpraxis arbeite ich gestalttherapeutisch – aber was bedeutet das konkret für euch als Paar?
Die Gestalttherapie arbeitet mit dem Prinzip der Bewusstwerdung. Es geht darum, dass wir uns unserer selbst bewusster werden: Wie gehen wir mit uns um? Wie mit unserem Leben? Und wie mit unseren Mitmenschen? In der Paartherapie mit Gestaltansatz betrachten wir gemeinsam, wie ihr beide miteinander in Beziehung tretet.
Dabei steht nicht die Frage nach richtig oder falsch im Vordergrund. Stattdessen geht es um das Erkennen eurer Gefühle, Gedanken und Wünsche als zentrales Element für eine gelingende Partnerschaft. Was fühlst du wirklich in diesem Moment? Was brauchst du von deinem Partner oder deiner Partnerin? Und wie kannst du das so ausdrücken, dass der andere es auch hören kann?
Wenn Altlasten die Gegenwart prägen
Diese vergangenen Erfahrungen beeinflussen unsere Emotionen und unser Verhalten in der Gegenwart – oft ohne dass wir es bewusst merken. Sie stehen unserem Liebesleben im Weg wie unsichtbare Blockaden. Die Gestalttherapie zielt darauf ab, solche Blockaden bewusst zu machen und zu lösen, damit sie nicht länger unbewusst auf eure Beziehung wirken.

Warum Gestalttherapie für Paare wirksam ist
Vielleicht fragst du dich: Bringt das wirklich etwas? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Die Forschung der letzten Jahre zeigt klar, dass Paartherapie wirkt – und zwar nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig.
Paartherapie wirkt – die Forschung ist eindeutig
Eine aktuelle Metaanalyse von Roddy und Kollegen, die 58 Studien mit über 2.000 Paaren auswertete, zeigt: Paartherapie erhöht die Zufriedenheit mit der Beziehung signifikant. Die Forschung macht dabei deutlich: Es geht nicht nur um einzelne Symptome, sondern um eure Beziehung als Ganzes. Die vollständige Studie findest du im Deutschen Ärzteblatt.
Die konkreten Ergebnisse:
70 Prozent der Paare berichten nach einer Paartherapie von einer deutlichen Verbesserung ihrer Beziehung. Die Kommunikation verbessert sich nachweislich – ihr lernt, einander wirklich zuzuhören. Emotionale Nähe nimmt zu – ihr fühlt euch wieder verbunden. Der Umgang miteinander wird wertschätzender – auch in Konflikten. Diese Effekte halten an – auch zwei Jahre nach der Therapie sind die Verbesserungen noch messbar.
Besonders bemerkenswert: Paare, die anfänglich sehr unzufrieden mit ihrer Beziehung waren, profitieren am meisten. Je schwieriger die Ausgangslage, desto größer die mögliche Verbesserung.
Was verändert sich konkret in eurer Beziehung?
Die Forschung zeigt nicht nur, dass Paartherapie wirkt – sondern auch, was sich genau verändert:
Eure Kommunikation wird konstruktiver: Destruktive Muster wie Kritik, Verachtung und Rückzug nehmen ab. Stattdessen lernt ihr, eure Bedürfnisse klar auszudrücken, ohne den anderen anzugreifen. Studien zeigen, dass aktives Zuhören und Ich-Botschaften eure Gespräche grundlegend verändern können.
Ihr erlebt wieder emotionale Nähe: Viele Paare berichten, dass sie sich nach der Therapie wieder nah fühlen. Die emotionale Distanz, die sich vielleicht über Jahre aufgebaut hat, verringert sich. Ihr seht einander wieder, ihr spürt einander.
Konflikte werden lösbar: Etwa 70 bis 74 Prozent der Paare geben nach Abschluss der Therapie an, frei von therapierelevanten Problemen zu sein. Das bedeutet nicht, dass ihr nie mehr Konflikte habt – aber ihr könnt mit ihnen umgehen, ohne dass sie eure Beziehung gefährden.
Die Beziehungszufriedenheit steigt nachhaltig: Langzeitstudien zeigen, dass die Verbesserungen nicht nur kurzfristig anhalten. Grundlegende Beziehungs- und Kommunikationsmuster werden zum Positiven verändert – und diese neuen Muster bleiben.

Warum Gestalttherapie für Paare besonders wirksam ist
Die Gestalttherapie bringt spezifische Stärken mit, die gerade für Paare hilfreich sind:
Fokus auf das Hier und Jetzt: Anders als Ansätze, die endlos die Vergangenheit analysieren, arbeitet die Gestalttherapie mit dem, was jetzt gerade zwischen euch passiert. Was geschieht in diesem Moment? Wie reagiert ihr aufeinander, während wir sprechen? Diese unmittelbare Arbeit an eurer aktuellen Beziehungsdynamik ermöglicht echte Veränderung.
Kontakt als Kern der Arbeit: In der Gestalttherapie geht es zentral darum, echten Kontakt zwischen euch wiederherzustellen. Nicht nur miteinander reden – sondern einander wirklich begegnen. Euch sehen. Euch spüren. Euch verstehen.
Dieser Fokus auf Kontakt macht einen entscheidenden Unterschied: Studien zur emotionsfokussierten Therapie (EFT), die ähnlich arbeitet, zeigen Erfolgsraten von bis zu 75 Prozent bei nachhaltiger Verbesserung der Beziehung. Die emotionale Verbindung zwischen Partnern wird zur Heilkraft.
Beide Partner werden gestärkt: Ein besonderer Effekt der Gestalttherapie für Paare: Nicht nur eure Beziehung verbessert sich – auch jeder Einzelne profitiert. Forschung zeigt, dass sich durch Paartherapie auch depressive Symptome verringern und das allgemeine Wohlbefinden steigt. Wenn eure Beziehung besser läuft, geht es auch euch persönlich besser.
Was den Unterschied macht
Die Forschung zeigt auch: Nicht jede Paartherapie wirkt gleich gut. Was macht den Unterschied?
Ansätze, die an der emotionalen Verbindung arbeiten, zeigen die besten Ergebnisse. Die emotionsfokussierte Paartherapie und die Gestalttherapie gehören zu den wirksamsten Verfahren, weil sie direkt an eurem Kontakt zueinander arbeiten.
Die Qualität der Kommunikation ist entscheidend: Paare, die lernen, wertschätzend miteinander zu sprechen und einander wirklich zuzuhören, haben nachweislich stabilere und glücklichere Beziehungen.
Frühzeitiges Handeln zahlt sich aus: Die Forschung ist eindeutig – je früher ihr euch Hilfe holt, desto besser. Wartet nicht, bis alles festgefahren ist. Auch bei schon länger bestehenden Problemen kann Paartherapie noch sehr wirksam sein, aber der Weg ist dann oft länger.
Für weitere Einblicke in die Wirksamkeit der Gestalttherapie kannst du auch hier nachlesen: Wie wirksam ist Gestalttherapie? Was die Forschung über diese Therapieform verrät.
Die drei Säulen der Gestalttherapie für Paare
1. Arbeit im Hier und Jetzt: Eure Beziehung beginnt jetzt
In der Gestalttherapie wird die gegenwärtige Situation als der entscheidende Ort betrachtet, wo Veränderung geschieht. Wir sprechen zwar auch über vergangene Ereignisse – darüber, was in eurer Beziehungsgeschichte passiert ist. Aber wir betrachten vor allem eure gegenwärtigen Gedanken und Gefühle dazu.
Wie erlebst du diese Erinnerung jetzt? Was löst sie heute in dir aus? Und was bedeutet das für deine aktuelle Beziehung?
Wenn die Vergangenheit eines oder beider Partner bis ins Heute wirkt und die Beziehung belastet, können mithilfe der Gestalttherapie solche Blockaden gelöst werden. Aber das geschieht nicht durch endloses Grübeln über das Gestern, sondern durch bewusstes Erleben im Hier und Jetzt.

2. Kontakt herstellen: Das Herzstück der Gestalttherapie für Paare
Gestalttherapie ist eine Therapie des Kontakts und der Beziehung. Aber was bedeutet Kontakt überhaupt? Es geht um viel mehr als nur miteinander zu reden.
Kontakt entsteht, wenn beide Partner sowohl sich selbst als Individuen als auch das Gegenüber bewusst wahrnehmen und sich von ihm innerlich berühren lassen können, ohne ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Das ist eine Kunst – und genau diese Kunst üben wir gemeinsam in den Sitzungen.
Wie guter Kontakt entsteht
Stell dir vor, du erzählst deinem Partner von einem schwierigen Tag. Guter Kontakt bedeutet:
Du nimmst wahr, was du fühlst, während du erzählst. Du merkst, wie es ist, wenn dein Partner dir zuhört. Dein Partner hört nicht nur die Worte, sondern spürt auch deine Emotion. Ihr seid beide präsent – nicht mit den Gedanken woanders. Eine echte Begegnung findet statt.
Viele Menschen haben unbewusst Angst, sich wirklich auf Kontakt einzulassen. Sie haben Angst, sich im Kontakt zu verlieren oder verletzt zu werden. Gleichzeitig sehnen sie sich nach lebendigen und erfüllenden Beziehungen. Dieses Spannungsfeld bearbeiten wir in der Therapie.
Durch die Arbeit am Kontakt kommt ihr ins Fühlen und lernt, eure Emotionen auszudrücken und einander wirklich zuzuhören. Dadurch verbessern sich eure Kommunikation und euer Umgang miteinander nachhaltig.
💡 Tipp: Nehmt euch zehn Minuten Zeit, setzt euch einander gegenüber und schaut euch einfach nur an. Ohne zu sprechen. Nur da sein. Spürt, was das mit euch macht. Das ist eine erste Übung in echtem Kontakt – und oft überraschend intensiv.
3. Verantwortung übernehmen: Jeder für sich, beide füreinander
Ein zentraler Aspekt der Gestalttherapie für Paare ist die Verantwortungsübernahme. Es geht nicht darum, dem anderen die Schuld zu geben oder darauf zu warten, dass der Partner sich ändert. Vielmehr übernehmt ihr beide Verantwortung für eure eigenen Handlungen, Gefühle und Entscheidungen.
Das bedeutet konkret:
Du erkennst an: „Ich fühle mich verletzt“ statt „Du hast mich verletzt“. Du sprichst über deine Bedürfnisse: „Ich brauche mehr Nähe“ statt „Du bist so distanziert“. Du übernimmst Verantwortung für deine Reaktionen: „Ich habe laut reagiert, weil ich mich hilflos gefühlt habe“.
Ihr werdet ermutigt, offen miteinander zu kommunizieren und Konflikte direkt anzugehen, um eine tiefere Verbindung und ein besseres Verständnis füreinander zu schaffen.
Wann lohnt sich Gestalttherapie für Paare?
Es gibt verschiedene Situationen, in denen Paartherapie sinnvoll sein kann:
Wiederkehrende Konflikte: Ihr streitet euch immer wieder über dieselben Themen. Die Argumente sind austauschbar, aber das Muster bleibt gleich. Nach jedem Streit denkt ihr: „Schon wieder…“
Kommunikationsprobleme: Ihr redet aneinander vorbei. Was du sagst, kommt beim anderen nicht so an, wie du es meinst. Missverständnisse häufen sich, und am Ende fühlt ihr euch beide unverstanden.
Unsicherheiten bezüglich der gemeinsamen Zukunft: Eine von euch möchte Kinder, die andere ist unsicher. Ihr habt unterschiedliche Vorstellungen davon, wie euer Leben aussehen soll. Die Frage „Wohin soll das führen?“ schwebt unausgesprochen im Raum.
Nach Untreue: Das Vertrauen ist erschüttert. Vielleicht gab es eine Affäre oder einen Vertrauensbruch anderer Art. Die Frage ist: Wie können wir wieder zueinander finden?
Emotionale Distanz: Ihr lebt nebeneinander her. Die Nähe, die ihr mal hattet, ist verschwunden. Ihr funktioniert als Team im Alltag, aber die Verbindung fehlt.
Stress durch äußere Umstände: Ein Baby, berufliche Belastung, Krankheit oder der Verlust eines geliebten Menschen – äußere Krisen belasten eure Beziehung.

Was Gestalttherapie für Paare euch bringen kann
Paartherapie mit Gestaltansatz hilft euch, eine wertschätzende Kommunikation mit eurem Partner zu etablieren und ihm besser zuzuhören. Zum anderen lernt ihr, eure individuellen Unterschiede anzuerkennen, anstatt sie zu bekämpfen.
Je mehr ihr über euch selbst wisst, desto besser versteht ihr eure Reaktionen in schwierigen Situationen. Durch diese Bewusstheit versetzt die Gestalttherapie euch in die Lage, nicht hilfreiche Verhaltensmuster zu ändern, die eure Beziehung beeinträchtigen.
Häufige Stolpersteine in Beziehungen: Die vier apokalyptischen Reiter
Der amerikanische Beziehungsforscher John Gottman hat in jahrzehntelanger Forschung vier Kommunikationsmuster identifiziert, die Beziehungen massiv schaden können. Er nennt sie die „vier apokalyptischen Reiter“ – in Anlehnung an die biblische Offenbarung, wo sie den Weltuntergang ankündigen. In Beziehungen kündigen sie den Untergang der Partnerschaft an.
Gottman konnte mit 83-prozentiger Trefferquote vorhersagen, welche Paare zusammenbleiben und welche sich trennen werden – und zwar nur aufgrund einer 15-minütigen Beobachtung ihres Konfliktverhaltens. Mehr dazu findest du auch auf der offiziellen Website des Gottman Institute.
Schauen wir uns diese Muster genauer an – vielleicht erkennst du das eine oder andere wieder:
1. Kritik: Der persönliche Angriff
Kritik ist mehr als eine Beschwerde über ein bestimmtes Verhalten – sie greift die Person selbst an.
Beispiel einer konstruktiven Beschwerde: „Du hast vergessen, den Müll rauszubringen. Das ärgert mich, weil wir das besprochen hatten.“
Beispiel destruktiver Kritik: „Du bist immer so faul! Du machst nie irgendetwas im Haus! Was ist nur mit dir los?“
Die Beschwerde bezieht sich auf ein konkretes Verhalten. Die Kritik macht eine Aussage über den Charakter des Partners. Sie generalisiert („immer“, „nie“) und verletzt.
2. Verachtung: Der gefährlichste Reiter
Der gefährlichste der vier apokalyptischen Reiter ist laut John Gottman die Verachtung. Sie zeigt sich in Sarkasmus, Zynismus, Augenrollen oder dem Lächerlichmachen des Partners.
Verachtung entsteht aus lange schwelenden negativen Gedanken über den Partner. Wenn über Wochen, Monate oder Jahre keine guten Gespräche mehr stattgefunden haben, bleibt oft nur noch Verachtung übrig.
Ein Beispiel: Dein Partner erzählt von seinem stressigen Tag. Du rollst mit den Augen und sagst: „Ach komm, was du Stress nennst, ist doch lächerlich. Wenn du mal einen Tag in meinem Job verbringen würdest…“
In diesem Moment geht es nicht mehr um das Lösen von Problemen, sondern darum, den anderen zu verletzen und die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.
3. Abwehrhaltung: Die Mauer hochziehen
Auf persönliche Angriffe folgt meist eine Verteidigungsreaktion. Das ist ein natürlicher Reflex – schließlich will sich niemand verletzen lassen. Allerdings verschärft Abwehr den Konflikt, weil der Partner sich in seinem Anliegen nicht gehört fühlt.
Beispiel: „Ja, aber ich arbeite den ganzen Tag und habe nicht die Zeit, ständig die Wohnung aufzuräumen. Außerdem hast du auch Sachen rumliegen.“
Die Verteidigung verhindert, dass wir wirklich hinhören, was den anderen stört. Stattdessen rechtfertigen wir uns und schieben die Verantwortung zurück.
4. Mauern: Der komplette Rückzug
Mauern, auch „Stonewalling“ genannt, bedeutet den emotionalen oder physischen Rückzug aus dem Konflikt. Der Partner schweigt, geht aus dem Raum oder tut so, als wäre der andere Luft.
Laut Gottman ist Mauern bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Es ist oft der letzte Versuch, sich vor Überwältigung zu schützen – führt aber dazu, dass jede Kommunikation zusammenbricht.
Der Gegenentwurf: Konstruktive Kommunikation
In der Gestalttherapie für Paare lernt ihr, diese destruktiven Muster zu erkennen und durch konstruktive zu ersetzen:
Statt Kritik: Sprich in Ich-Botschaften über konkrete Situationen. Statt Verachtung: Kultiviere Wertschätzung und Respekt. Statt Abwehr: Übernimm Verantwortung für deinen Anteil. Statt Mauern: Sprich aus, wenn du eine Pause brauchst, und komme darauf zurück.
Die sogenannte Gottman-Konstante besagt, dass in stabil-zufriedenen Beziehungen das Verhältnis von positivem zu negativem Verhalten mindestens 5:1 betragen muss. Eine negative Interaktion kann nur durch fünf positive kompensiert werden. Das zeigt: Negatives wiegt schwerer als Positives – aber ihr könnt bewusst daran arbeiten, mehr positive Momente zu schaffen.
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Wie läuft Gestalttherapie für Paare konkret ab?
Das therapeutische Gespräch steht im Mittelpunkt
Da die Gestalttherapie eine gesprächsbasierte Therapieform ist, steht das therapeutische Gespräch im Vordergrund. Wir schaffen einen geschützten Raum, in dem ihr offen über eure Themen sprechen könnt. Als Therapeutin bin ich dabei neutral, wertschätzend und einfühlsam – ich ergreife keine Partei, sondern begleite euch beide.
Das Besondere an der Gestalttherapie für Paare: Wir sprechen nicht nur über eure Konflikte, sondern schauen auch, wie sie sich im Hier und Jetzt zeigen. Wie reagiert ihr aufeinander, während wir sprechen? Was passiert zwischen euch in diesem Moment? Diese unmittelbare Erfahrung ist oft erhellender als jede Analyse.

Körper- und ausdrucksorientierte Methoden
Zusätzlich zum Gespräch können körper- und ausdrucksorientierte Methoden zum Einsatz kommen, sofern ihr das möchtet. Die Arbeit erfolgt über verschiedene Methoden, die euch helfen, eure Erfahrungen an der Kontaktgrenze zu erkunden.
Das kann bedeuten:
Arbeit mit Stühlen: Ein leerer Stuhl kann einen abwesenden Teil repräsentieren – einen inneren Anteil von dir oder eine Person aus deiner Vergangenheit. Im Dialog damit kannst du Dinge aussprechen, die lange ungesagt blieben.
Körperarbeit: Wo spürst du die Wut in deinem Körper? Wie fühlt sich die Trauer an? Durch Achtsamkeit für den Körper wird vieles bewusst, was vorher im Verborgenen lag.
Kreative Methoden: Malen, Schreiben oder Bewegung können helfen, Gefühle auszudrücken, für die es keine Worte gibt.
Der Ablauf der Paartherapie ist von euren Wünschen abhängig. Ihr bestimmt das Tempo und die Themen. Meine Aufgabe ist es, einen sicheren Rahmen zu bieten und euch dabei zu unterstützen, eigene Lösungen zu finden.
Die Therapiesitzung als Experimentierraum
Einer der wertvollsten Aspekte der Gestalttherapie für Paare: Die Therapiesitzung selbst wird zu einem geschützten Raum, in dem ihr neue Verhaltensweisen ausprobieren könnt. Hier dürft ihr Fehler machen, stolpern, Dinge anders versuchen – ohne die negativen Konsequenzen, die im Alltag oft folgen würden.
Schwierigkeiten und wiederkehrende Interaktionsmuster werden nicht nur thematisiert – sie zeigen sich oft direkt in der Sitzung. Wenn sich ein vertrautes Muster zeigt, können wir gemeinsam innehalten: Was geschieht gerade? Was fühlst du? Was brauchst du wirklich?
Im geschützten Rahmen könnt ihr es dann anders machen. Du kannst sagen, was du wirklich fühlst, statt in die alte Verteidigungshaltung zu gehen. Dein Partner kann bei dir bleiben, statt sich zurückzuziehen. Diese neuen Erfahrungen prägen sich ein – euer Körper lernt, dass es auch anders geht.
Ein Beispiel: Ein Paar drehte sich ständig im Kreis. Wenn sie ein schwieriges Thema ansprachen, zog er sich zurück. Sie wurde verzweifelter in ihren Versuchen, ihn zu erreichen – was ihn noch weiter zurückweichen ließ. In der Sitzung konnten wir dieses Muster verlangsamen und erkunden. Es stellte sich heraus: Er hatte Angst, ihre Emotionen nicht aushalten zu können. Sie interpretierte sein Gehen als mangelndes Interesse. Beide hatten völlig unterschiedliche Geschichten über dieselbe Situation.
In diesem geschützten Raum konnte er lernen zu bleiben, sie konnte lernen, ihre Verzweiflung in Worte zu fassen. Das ist die Kraft des Experimentierraums: Neue Verhaltensweisen werden emotional verankert, nicht nur intellektuell verstanden.
Praktische Tipps für den Alltag: Was ihr selbst tun könnt
Therapie ist wichtig, aber Veränderung geschieht auch im Alltag. Hier sind einige praktische Anregungen, die ihr zwischen den Sitzungen ausprobieren könnt:
💡 Tipp 1: Das tägliche Check-in
Nehmt euch jeden Tag zehn Minuten Zeit, nur für euch zwei. Keine Ablenkung durch Handy oder Fernseher. Fragt euch gegenseitig: „Wie geht es dir wirklich?“ und hört zu, ohne gleich Lösungen anzubieten.
💡 Tipp 2: Die „Ich fühle mich…“-Übung
Statt „Du machst mich wütend“ sagt: „Ich fühle mich wütend, wenn…“ Das ist keine Kleinigkeit – es ist eine grundlegende Verschiebung von Schuldzuweisung zu Selbstverantwortung.
💡 Tipp 3: Die Dankbarkeits-Routine
Studien zeigen, dass Dankbarkeit einen positiven Einfluss auf Partnerschaften hat. Sagt euch jeden Tag eine Sache, für die ihr dem anderen dankbar seid. Auch Kleinigkeiten zählen: „Danke, dass du heute Morgen Kaffee gemacht hast.“
💡 Tipp 4: Die Pause-Vereinbarung
Wenn ein Konflikt eskaliert, vereinbart ein Codewort, mit dem jeder von euch eine Pause einfordern kann. Wichtig: Kommt danach darauf zurück. Eine Pause ist kein Mauern, sondern eine bewusste Entscheidung, später in Ruhe weiterzusprechen.
💡 Tipp 5: Körperliche Nähe pflegen
Berührung ist Kontakt in reinster Form. Eine Umarmung, Händchenhalten, eine sanfte Berührung am Arm – das alles signalisiert: „Ich bin hier, und du bist mir wichtig.“ Auch wenn ihr gerade im Konflikt seid, kann körperliche Nähe helfen, die Verbindung zu halten.
Zusammenfassung: Warum sich Gestalttherapie für Paare lohnt
Gestalttherapie für Paare hilft euch, euch von negativen Dynamiken zu lösen und einen neuen Blick auf euch selbst und das Gegenüber zu werfen. In der gestalttherapeutischen Paarberatung geht es um die Entwicklung von umfassendem Gewahrsein und die Wiederherstellung von echtem Kontakt zwischen beiden Partnern.
Die Forschung zeigt eindeutig: Paartherapie ist wirksam. Paare, die sich auf diesen Prozess einlassen, berichten von deutlichen Verbesserungen in ihrer Kommunikation, ihrer emotionalen Verbindung und ihrer gesamten Beziehungsqualität.
Ihr lernt konkret:
Eure Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und auszudrücken. Einander wirklich zuzuhören, ohne gleich in die Verteidigung zu gehen. Destruktive Muster wie die „vier apokalyptischen Reiter“ zu erkennen und zu verändern. Verantwortung für eure eigenen Anteile zu übernehmen. Im Hier und Jetzt präsent zu sein statt in alten Geschichten gefangen. Echten Kontakt herzustellen – die Grundlage jeder lebendigen Beziehung.
Das Wichtigste: Ihr seid nicht allein. Schwierigkeiten in der Partnerschaft sind normal und kein Zeichen von Scheitern. Sie sind vielmehr Wachstumschancen – wenn ihr bereit seid, hinzuschauen und gemeinsam daran zu arbeiten.

Der erste Schritt: Wie es weitergeht
Der erste Schritt ist oft der schwerste. Es kostet Überwindung, zuzugeben: Wir brauchen Hilfe. Aber es ist auch ein Zeichen von Stärke und Liebe – Liebe zu eurem Partner und zu eurer Beziehung.
In einem Erstgespräch können wir gemeinsam schauen, ob die Chemie stimmt und wie wir zusammenarbeiten könnten. Ihr bekommt ein Gefühl dafür, wie Gestalttherapie für Paare funktioniert, und könnt eure Fragen stellen.
Wenn ihr in Bonn oder Umgebung seid, freue ich mich auf ein persönliches Kennenlernen. Wenn der Weg zu weit ist oder euer Alltag keine Zeit für Anfahrten lässt, können wir auch online arbeiten – von wo auch immer ihr gerade seid.
Was passiert nach dem Erstgespräch?
Nach dem Erstgespräch entscheidet ihr, ob ihr weitermachen möchtet. Es gibt keinen Druck und keine Verpflichtung. Manche Paare wissen sofort: Ja, das ist unser Weg. Andere brauchen Zeit zum Überlegen. Beides ist völlig in Ordnung.
Wenn ihr euch für die Zusammenarbeit entscheidet, vereinbaren wir regelmäßige Termine – meist im Abstand von ein bis zwei Wochen. Die Dauer der Therapie ist individuell: Manche Paare kommen über wenige Monate, andere begleite ich über ein Jahr oder länger. Es hängt davon ab, was ihr erreichen möchtet und wie tief ihr gehen wollt.
Häufige Fragen zur Gestalttherapie für Paare
Für Paartherapie ist es wichtig, dass beide Partner dabei sind. Schließlich geht es um eure gemeinsame Beziehung und die Dynamik zwischen euch. Wenn nur einer kommt, kann ich diesen Teil nicht richtig erfassen.
Das ist eine häufige Situation. Manchmal hilft es, wenn der Partner versteht, dass es nicht darum geht, „repariert“ zu werden, sondern gemeinsam an etwas zu arbeiten. Ein Erstgespräch ist unverbindlich – vielleicht lässt er oder sie sich darauf ein, einfach mal zu schauen, wie es ist.
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Paare erleben schon nach wenigen Sitzungen deutliche Veränderungen, andere brauchen mehr Zeit. Im Durchschnitt arbeiten Paare über mehrere Monate mit mir. Wichtig ist: Ihr bestimmt das Tempo.
Nein. Idealerweise kommen Paare zur Therapie, bevor sich die Probleme verhärtet haben. Aber selbst wenn es schon sehr schwierig ist, kann Paartherapie helfen – entweder, um die Beziehung zu retten, oder um eine respektvolle Trennung zu gestalten, falls das der bessere Weg sein sollte.
Ja, absolut. Gerade in Krisen – sei es nach einem Vertrauensbruch, einem Verlust oder einer anderen einschneidenden Erfahrung – kann professionelle Unterstützung sehr hilfreich sein.
Weitere Angebote: Wenn einzelne Themen im Vordergrund stehen
Manchmal steht nicht die Paarbeziehung im Vordergrund, sondern persönliche Themen, die sich auf die Beziehung auswirken. Vielleicht kämpfst du mit Ängsten, alten Verletzungen oder bist in einer schwierigen Lebensphase. In solchen Fällen kann die Psychologische Einzelberatung der richtige Weg sein.
Auch hier gilt: Wir arbeiten gestalttherapeutisch – mit Fokus auf Bewusstwerdung, Kontakt zu dir selbst und Verantwortungsübernahme für dein Leben. Oft wirkt sich die Arbeit an dir selbst auch positiv auf deine Beziehung aus. Denn je besser du dich selbst kennst und je klarer du mit dir bist, desto authentischer kannst du in Beziehung treten.
Manchmal profitieren Paare auch davon, zusätzlich zur Paartherapie einzeln zu arbeiten. Das ist keine Entweder-oder-Entscheidung – beides kann sich wunderbar ergänzen.

Ein letztes Wort: Beziehungen sind lebendig
Zum Abschluss möchte ich dir noch etwas mit auf den Weg geben: Beziehungen sind nicht statisch. Sie sind lebendig, im Fluss, verändern sich ständig. Das ist manchmal unbequem – aber es bedeutet auch, dass Veränderung immer möglich ist.
Selbst wenn es gerade schwierig ist, selbst wenn ihr das Gefühl habt, festzustecken – der nächste Schritt ist möglich. Vielleicht ist es ein kleiner Schritt, vielleicht ein großer. Aber er ist möglich.
Gestalttherapie für Paare ist kein Wundermittel, das alle Probleme über Nacht löst. Aber sie ist ein Weg – ein Weg zu mehr Bewusstheit, zu tieferem Kontakt, zu einer lebendigeren Beziehung. Ein Weg, auf dem ihr nicht allein seid, sondern professionell begleitet werdet.
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Über mich
Hey, ich bin Melanie Berg – Gestalttherapeutin in Bonn. Ich begleite Einzelne und Paare durch herausfordernde Zeiten und Entwicklungsprozesse.
Was mich antreibt? Die Überzeugung, dass echte Begegnung heilt. Dass Veränderung möglich ist, wenn wir bereit sind, hinzuschauen. Und dass jede Beziehung – egal wie festgefahren sie scheint – das Potenzial für Wachstum in sich trägt.
Um mehr über meine Arbeit mit Paaren zu erfahren, schaue am besten auf meiner Seite vorbei: Paartherapie und Paarberatung in Bonn.
